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Biel gegen Servette – der Playoff-Final der Zürcher, nicht der Welschen

L'attaquant biennois Damien Brunner, gauche, celebre son goal 2-0 avec l'attaquant biennois Mike Kuenzle lors du deuxieme match de la finale des play-off du Championnat de Suisse de hockey s ...
Zwei Zürcher beim EHC Biel: Damien Brunner und Mike Künzle.Bild: keystone
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Biel gegen Servette – der Final der Zürcher, nicht der Welschen

Biel gegen Servette steht für die Renaissance des welschen Hockeys? Ein schönes Märchen. Die Zürcher sind die stärkste «hockeyethnische» Gruppe in diesem Final. Nicht die Romands.
18.04.2023, 06:4319.04.2023, 05:31
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Der Final mit Biel und Servette hat eine gewisse Ähnlichkeit mit dem Eidgenössischen Schwingfest. Im festen Turnus darf der Südwestschweizerische Teilverband das Eidgenössische im Welschland organisieren. Zuletzt 2016 in Estavayer-le-Lac. Die Eidgenössischen in der Westschweiz sind grandiose Feste. Aber sportlich sind die Romands bei diesen Anlässen nur Zaungäste.

So ist es eigentlich auch im Final 2023. Es gibt zwar noch die akademische Diskussion, ob Biel der West- oder der Deutschschweiz zugeordnet werden soll. Dabei ist Biel weder deutsch noch welsch. Biel ist Biel. Punkt. Eine der berühmtesten zweisprachigen Städte der Welt. Aber seien wir bei unserer Betrachtung grosszügig. Rechnen wir Biel hockeytechnisch zum Welschland. Auch das ändert nichts daran: Der Final 2023 ist eine Zürcher Angelegenheit mit Westschweizer Gästen.

Wir wollen nicht respektlos sein: Das Eishockey hat seine Wiege im Welschland. 1908 sind sowohl der nationale wie auch der internationale Eishockey-Verband an den Ufern des Lac Léman gegründet worden. Das Eishockey hat in der Westschweiz eine reiche Geschichte: Servette ist beispielsweise 1905 gegründet worden, der EV Zug erst 1967. Unsere Hockeykultur wird nach wie vor stark von den spielerischen Elementen der frankofonen Spieler beeinflusst. Wir können sogar sagen, dass unser Lauf- und Tempohockey eine welsche DNA hat.

Gruppenbild des Eishockey Schweizermeisters HC La Chaux-de-Fonds mit Pokal, vom 19. Januar 1972. Zum fuenften aufeinanderfolgenden Mal konnte der HC La Chaux-de- Fonds am Dienstag den Pokal des Schwei ...
Die Meistermannschaft von La Chaux-de-Fonds im Jahr 1972.Bild: KEYSTONE

Der HC La Chaux-de-Fonds hat zwischen 1968 und 1973 sechsmal hintereinander die Meisterschaft gewonnen. Seither hat nie mehr ein Team aus der Westschweiz den Titel geholt. Im Frühjahr 1974 entthronte der SC Bern unter der Anleitung von Spielertrainer Paul-André Cadieux den HC La Chaux-de-Fonds. Nun hat sein Sohn Jan Cadieux als Trainer von Servette die Chance, die Meisterschaft nach 50 Jahren wieder in die Westschweiz zurückzuholen.

Es sind in erster Linie wirtschaftliche Gründe, warum das welsche Hockey heute am Katzentisch Platz nehmen muss. Der grosse HC La Chaux-de-Fonds gewinnt im Abendrot des Amateurhockeys von 1968 bis 1973 sechs Titel in Serie und Servette wird zwischen 1968 bis 1971 viermal hintereinander Vize-Meister.

Bis in die frühen 1970er Jahre spielt das Geld keine zentrale Rolle. Ein Meisterteam kostet nicht einmal eine Million. Was den Klubs in der Westschweiz jahrelang geholfen hat: Sie können Spieler mit guten Jobs in der Uhrenindustrie locken.

Die «Amerikanisierung» (Professionalisierung) unseres Hockeys wird dem welschen Hockey zum Verhängnis. Spätestens ab der Einführung der Playoffs (1986) sind sie im Titelkampf chancenlos: Der Kapitalbedarf ist einfach zu gross. Bis heute sind die meisten Hockeyunternehmen in der Westschweiz nicht fähig, sich im Markt zu behaupten.

Geneve-Servette's Head coach Chris McSorley instructs his players, during the game of National League A (NLA) Swiss Championship between Geneve-Servette HC and EV Zug, at the ice stadium Les Vern ...
Chris McSorley, der kanadische Baumeister des modernen Servette.Bild: KEYSTONE

Servette ist erst durch amerikanische Investoren aus der Zweitklassigkeit erlöst worden, hatte später russische Geldausgeber und hängt inzwischen am Tropf einer Stiftung. Beim HC Lausanne deckt ein russischer Financier mit Schweizerpass die beängstigenden Defizite. Dazu passt auch: Der sportliche Architekt des modernen Servette ist der Kanadier Chris McSorley, der bis heute kein Französisch spricht. Sein Erbe wird von einem Langnauer gut verwaltet: von Sportchef Marc Gautschi.

Das einzige durch und durch welsche Hockeyunternehmen in der höchsten Liga ist Ajoie. Aber eigentlich sind ja die Bewohner des Elsgaus Jurassier. Nicht Romands. Das letzte welsche Meisterteam war der HC Lugano von 1999: Julien und Geoffrey Vauclair, Kevin Romy, Flavien Conne, Régis Fuchs und Sandy Jeannin bildeten die Kerngruppe der Mannschaft.

Der HC Lugano wurde in der Valascia Eishockey Schweizermeister: Jubelbild aus der Garderobe mit Trainer Jim Koleff (links). (KEYSTONE/Karl Mathis)
Luganos Meistermannschaft von 1999: welsch geprägt.Bild: KEYSTONE

Die Hockey-Unternehmen aus der Deutschschweiz dominieren und kommandieren heute unser Hockey sportlich, politisch und wirtschaftlich. Es ist beim Final 2023 also wie bei den Eidgenössischen Schwingfesten, die jeweils im Gebiet des Südwestschweizer Teilverbandes stattfinden: Die Stimmung ist grandios, der Rahmen würdig, der Sport aufregend. Aber die Deutschschweizer haben die Hosen an.

Im Final 2023 sind die Zürcher stärker vertreten als die Romands. In den beiden Teams gibt es bloss sechs wichtige Spieler, die im Westschweizer Hockey ausgebildet und grossgezogen worden sind (Descloux, Le Coultre, Antonietti und Rod bei Servette, Haas und Delémont bei Biel). Hingegen acht, die ihre Wurzeln bei Zürcher Klubs haben (Miranda, Mayer, Praplan und Karrer bei Servette, Grossmann, Brunner, Cunti und Künzle bei Biel). Selbst Servettes Arnaud Jacquemet und Vincent Praplan sind eigentlich Produkte der Klotener Hockeykultur. Wie wir es auch drehen und wenden: Die stärkste «hockeyethnische» Gruppe im Final sind die Zürcher.

Womit wir zum Erfolgsgeheimnis unseres Hockeys kommen: Keine andere Hockey-Nation holt aus ihrem Potenzial so viel heraus wie die Schweiz. Im Hockey zeigt sich das Erfolgsmodell Schweiz. Die Fähigkeit zur Zusammenarbeit über alle Grenzen der Mentalitäten und Sprachen. Erst die unterschiedlichen Hockeykulturen aus den verschiedenen Sprachregionen geben unserem Hockey die Dynamik, die Energie und den unverwechselbaren Stil.

Der Final 2023, mit Biel und Servette ein welscher Final? Nein, das ist ein Märchen. Aber ein schönes, das für die Kraft unserer Hockeykultur steht.

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quelle: keystone / ennio leanza
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56 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Coffey
18.04.2023 07:49registriert März 2016
"Womit wir zum Erfolgsgeheimnis unseres Hockeys kommen: Keine andere Hockey-Nation holt aus ihrem Potenzial so viel heraus wie die Schweiz." Ach gar? Welcher Erfolg denn? Finnland mit etwas über 5 Millionen Einwohnern und Schweden mit etwas mehr als 10 Millionen Einwohnern machen also weniger aus ihrem Potential? Wer hat schon wieder wieviele Weltmeistertitel un Olympiasiege und wer stellt wie viele Spieler in der NHL? Zaugg'sche Märchenstunde wieder einmal.
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Ludibald von Elfensenf
18.04.2023 07:17registriert Februar 2022
Ich habe mich geirrt…schon vor der Meisterfeier. Asche auf mein Haupt😆
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MacGyver
18.04.2023 09:59registriert Februar 2022
"Das letzte welsche Meisterteam war der HC Lugano von 1999: Julien und Geoffrey Vauclair, Kevin Romy, Flavien Conne, Régis Fuchs und Sandy Jeannin bildeten die Kerngruppe der Mannschaft."
Da hat der Eismeister ja ein veritables historisches Chaos geschaffen. Nur so aus dem Kopf: Romy war 1999 gerade mal 14 Jahre alt, und Jeannin spielte bis 2000 in Davos.
Wahrscheinlich meinte der Eismeister das Lugano-Meisterteam von 2006. Allerdings spielte dann Geoffrey Vauclair schon seit ein paar Jahren in Fribourg...
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